Der Zettelkasten von Niklas Luhmann ist ein faszinierendes Beispiel für eine effektive Wissensorganisation ohne PC. Viele Menschen versuchen, seine Arbeitsweise zu imitieren, um die eigene Produktivität zu steigern.
Aber oft entschlummern Zettelkastenprojekte nach anfänglicher Begeisterung.
Die Entäuschung über ausbleibende Produktivitätswunder ist groß.
Dabei werden gelegentlich die Ziele und Rahmenbedingungen des brühmten Zettelkasten-Verwalters aus Bielefeld übersehen.
Luhmann war Jurist, Soziologe und Systemtheoretiker, der über 70 Bücher und 400 Artikel geschrieben hat. Er nutzte einen analogen Zettelkasten, in dem er seine Gedanken und Quellen auf Karteikarten festhielt. Diese verband er mit einem komplexen System von Verweisen, das ihm erlaubte, neue Zusammenhänge zu entdecken und kreative Ideen zu entwickeln. Dieses System wurde mit einer, an manuelle Buchhaltung erinnernden, Kontinuität und Sorgfalt betrieben.
Doch Luhmanns Zettelkasten war kein universelles Werkzeug, sondern ein sehr persönliches Instrument, das auf seine spezifische Aufgabe und seine technischen Rahmenbedingungen zugeschnitten war.
Er arbeitete ohne Computer und musste daher seine Informationen manuell verwalten. Er beschäftigte sich mit abstrakten Theorien und Konzepten, die er selbst erfand oder modifizierte. Er hatte eine hohe Schreibdisziplin und ein klar definiertes Forschungsziel. („Theorie der Gesellschaft; Laufzeit: 30 Jahre; Kosten: keine“)
Wenn wir versuchen, Luhmanns Zettelkasten und Arbeitsweise als Norm für unsere eigene Wissensorganisation zu übernehmen, übersehen wir diese wichtigen Unterschiede.
Wir laufen Gefahr, sein Konzept zu nachahmen, ohne es an unsere eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten anzupassen.
Wir können scheitern, weil wir uns in einem System verlieren, das nicht zu uns passt. Wir können die Zettelkasten-Methode pauschal abschreiben, weil wir sie nicht richtig verstanden oder angewendet haben.
Daher sollten wir nicht blind Luhmanns Zettelkasten kopieren, sondern ihn als Inspiration nutzen, um unsere eigene Methode zu entwickeln. Wir sollten uns fragen:
- Was ist unser Ziel?
- Was sind unsere Quellen?
- Wie wollen wir unsere Informationen strukturieren und verknüpfen?
- Welche Werkzeuge stehen uns zur Verfügung?
- Wie können wir unsere Kreativität fördern?
Ein Zettelkasten ist kein starres System, sondern ein dynamischer Prozess. Er erfordert Experimentieren, Anpassen und Lernen. Er kann nur funktionieren, wenn er unserer individuellen Persönlichkeit und Arbeitstechnik entspricht. Er ist kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug zum Erinnern, Denken und Lernen.